Jugendstil in Basel?
Dahinter dürfte vielleicht auch bei Ihnen ein grosses Fragezeichen stehen.
Man denkt spontan an das kubisch aufgebaute Gebäude der Sezession in Wien von Joseph-Maria Olbrich, die geometrischen Ornamentbänder eines Otto Wagner, die strengen reduzierten Möbelentwürfe von Charles Rennie MacIntosh oder die unsymmetrischen, geradlinigen Bauten von Charles Annesley Voysey.
Oder es fallen einem die geschwungenen gusseisernen Metro-Eingänge von Hector Guimard in Paris ein, die Bauten in Nancy mit zum Teil wilden Auflösungen der Symmetrie, die Schöpfungen mit pflanzlichem Linienfluss, dem sich langhaarige Schönheiten hingeben, auch an die exaltierten Erfindungen eines Antonio Gaudi.
(links: Nancy, 1901,
rechts: Secessionsgebäude, Wien, 1897/98
Alle Fotos: Rose Marie Schulz-Rehberg)
Der Jugendstil in Basel sieht anders aus. Auffällige Trendbauten sind hier nur ausnahmsweise entstanden, obschon Basel reich an Gebäuden aus der Zeit um 1900 ist. Ganze Viertel wurden damals neu angelegt, die Innenstadt durchgreifend modernisiert, und viele der Bauten spiegeln die erwähnten
Zeitströmungen sehr wohl wider, aber eben zurückhaltender.
Die Tendenz in Basel geht ganz allgemein zur Kombination unterschiedlicher Inspirationsquellen, sei es aus Frankreich oder aus Wien, die oft auch mit historisierenden Rückgriffen verbunden werden. Beispielhaft kann dafür das Haus von Rudolf Sandreuter von 1904 am Fischmarkt 4 stehen. Sein grosses Atelierfenster im Dachgeschoss, dessen schwingende Bögen netzartig unterteilt sind, erinnert sogleich an Formulierungen, wie sie von Nancy, Paris oder Brüssel her bekannt sind. Aber in den unteren vier Etagen ist dieser Impuls einem strengeren Aufbau gewichen, wenngleich der Architekt mit unterschiedlichen Fensterformen spielt.
Synthetisch gingen auch die Architekten Curjel und Moser 1897-1901 bei der Pauluskirche vor. Einerseits orientierten sie sich an romanischen Bauten: im massiven Grundcharakter sowie bei Details, zum Beispiel bei der Rosette, die an das Münster erinnert. In der reichen Ornamentik griffen sie auf irische Formulierungen zurück und bereicherten – als Novum im protestantischen Sakralbau – das Gebäude mit zahlreichen Bildwerken, darunter viele Engelbilder, als Skulpturen oder Reliefs. Über dem Hauptportal verbanden sie den Satz «DEIN REICH KOMME» aus dem Unser Vater mit zierlichem Flechtwerk, in der Weise, wie Schrift als ornamentaler Dekor häufig in der Buchkunst sowie an Bauten des Jugendstils aufgekommen war. Die Blöcke mit Handläufen an der Haupttreppe spiegeln im Übrigen in ihrem geometrischen Aufbau aus Würfel und Halbkugel das zeitgleich entstandene Gebäude der Wiener Secession.
Als stilistisch eher einheitlicher Bau findet sich der Globus am Markt mit seiner von einem breiten Stichbogen überfangenen Fassade, erbaut 1904-1905 von den Architekten Romang & Bernoulli, ganz ähnlich dem Kaufhaus «Innovation» in Brüssel von Victor Horta von 1901. Verwandt damit ist auch das schmale Haus «zum Kempfen» an der Freien Strasse Nr. 69, das Leonhard Friedrich 1904 gebaut hat. Seine Gestaltung mit dem breitgezogenen Bogen des Schaufensters und dem als Dekor integrierten Schriftzug erinnert an Gebäude in den Einkaufsstrassen von Nancy.
Bei den stärker das Kubische betonenden Zwillingshäusern an der Marschalkenstrasse 11 und 15 von Gustav Doppler von 1903 mit ihrer geometrisierenden Ornamentik klingen Wiener Schöpfungen an. Und Eduard Pfrunders Eckbau an der Hammerstrasse/ Drahtzugstrasse von 1907 lässt mit seiner himmelstrebenden Eckzinne schon an den kommenden Expressionismus denken. Interessanterweise wurden für die Gusseisenteile von Zäunen und Geländern besonders oft die reizvollen, für den französisch-belgisch Jugendstil typischen pflanzlich-organischen Formulierungen gewählt.
So lässt sich sagen, dass der Jugendstil in Basel sehr wohl vertreten ist, dabei wird aber in der Regel – wie es wohl auch der zum Understatement neigenden Mentalität der Basler*Innen entspricht – weniger eine der extremen Ausprägungen des Stils aufgegriffen. Vielmehr eignet man sich Elemente verschiedener Strömungen an und lässt sie mit historischen Rückgriffen sowie eigenen Erfindungen zu einem eher zurückhaltenden Ganzen zusammenfliessen.
Text und Fotos:
Dr. Rose Marie Schulz-Rehberg
kulturtour.ch
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